Reisebericht Miami in Weiß

Ali G.

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Auf den Spuren von Crocket und Tubbs

Miami in Weiß

Die Sonne knallt, aus den Boxen dröhnt Jan Hammer, und der Motor bollert: Mit ein bisschen Phantasie und dem richtigen Auto kommt sich auf dem Ocean Drive jeder vor wie ein Cop aus "Miami Vice" vor. SPIEGEL-ONLINE-Autor Tom Grünweg ging im Sunshine State auf Streife.


Sie waren die Helden der Generation Golf: In den achtziger Jahren gaben Sonny Crockett und Ricardo Tubbs in "Miami Vice" in Sachen Coolness und Männermode den Ton an. Pastellfarbene Jackets sind mittlerweile zwar ebenso out wie weiße T-Shirts unterm Armani-Sakko. Doch wer im passenden Auto durch Miami Beach fährt, ist stimmungsmäßig sofort wieder mittendrin.

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SPIEGEL ONLINE hatte für eine Spritztour im Geiste von Crockett und Tubbs zwar keinen Ferrari wie die TV-Polizisten, doch ein Mercedes SL 63 AMG ist ja auch nicht schlecht. Zummal der Testarossa aus der Fernsehserie nur 340 PS hatte, der SL jedoch auf 525 PS kommt. Das reicht für protzige Ampelspurts und einen vorlauten Motorsound. Und natürlich musste es ein Auto in weiß sein, Miami weiß, gewissermaßen.

Die knapp 20 Meilen lange Tour beginnt am legendären Ocean Drive. Auf einer Strecke von rund einem Dutzend Blocks reihen sich hier Bars, Restaurants, Cafes. Auf der einen Seite Palmen, Strand und die Brandung des Atlantiks, auf der anderen Sonnenschirme, Korbsessel und Burgerläden. Die Tageszeit spielt keine Rolle: Hier finden automobile Selbstdarsteller immer ein Publikum.

Vom Ocean Drive schlängelt man sich durch die vielen Seitenstraßen, und bummelt unterourig die Collins Avenue hinauf und die Lenox Avenue hinunter in das Art-Déco-Viertel von South Beach. Wie in "Miami Vice" stehen vor vielen Cafes, Clubs und Quartieren aufwändig aufbereitete Oldtimer, denen der Zahn der Zeit kaum etwas anhaben konnte. Bei mehr als 320 Sonnentagen im Jahr ist das auch kein Wunder.

Wer Geld hat, zeigt es durch die Wahl eines teuren Autos

Überhaupt ist Miami Beach ein autoverliebtes Pflaster. Der Ocean Drive ist die Flaniermeile der PS-Elite, Rolls Royce Phantom oder Lamborghini Gallardo Spyder sind hier beinahe alltäglich. Wer genug hat vom Sehen und Gesehen werden, verlässt Miami Beach in Richtung Südosten und wechselt auf den MacArthur Causeway.

Auf einer fein geschwungenen Brücke geht es zurück aufs Festland. Doch sollte man sich die Zeit für einen Abstecher auf die Inseln des Wohlstands nehmen: Nach Fisher Island kommt man zwar nur mit dem Boot, doch auch die Prunkvillen auf Star Island und Hibiscus Island sind sehenswert - wenn einen der Wachmann an der Zufahrt passieren lässt, wobei ein dicker Schlitten durchaus hilfreich ist. Dann fährt man vorbei an gepflegten Gärten und riesigen Häusern. Davor parken Luxusautos, dahinter dümpeln Yachten im Wasser

Ebenfalls lohnenswert ist ein Schlenker über Watson Island. Hier kommt man besonders nah an jene Kreuzfahrtriesen heran, die von hier aus in die Karibik ablegen. Wer nicht ganz so weit fahren möchte, sollte zumindest für eine kurze Tour auf einem Glasboden-Boot einschiffen und den Biscayne National Park ein wenig erkunden, der direkt in der Bucht vor der Stadt liegt.

Über den Highway 395 geht es zurück nach Miami

Danach schwingt man über den Highway 395 zurück nach Miami, schlägt einen kurzen Haken durch Downtown, passiert das Hauptquartier der Polizei, schlängelt sich durch die imposanten Hochhausschluchten, durch die schon die Fernsehcops Crockett und Tubbs Bösewichter jagten. Dabei lohnt ein Zwischenstopp im Hafen, wo Crockett (Don Johnson) gemeinsam mit einem Alligator auf einem Segelboot hauste.

Oder man isst eine Kleinigkeit in einem der Yachtclubs, was deutlich stilvoller ist als ein Imbiss in einem der vielen Diners an den Ausfallstraßen. Dann dreht man wieder um nach Norden. Über den fast schon beschaulichen Venetian Causeway geht es über Betonstege, Zugbrücken und ein halbes Dutzend Inseln wieder zurück nach South Beach.

Natürlich steigt der Spaß auf dieser Tour mit der Leistung: Obwohl man auf dem Ocean Drive, der Lennox und der Collins Avenue vor allem zur Cruiser-Zeit kaum mehr als Schritttempo schafft, braucht es einfach genügend Zylinder für den richtigen Soundtrack. Und das offene Verdeck ist natürlich ein Muss.

Connaisseure mögen einwenden, die Tour erfordere einen Ferrari. Dabei waren auch Crockett und Tubbs damals nicht ganz stilecht unterwegs. Weil der bis zur zweiten Staffel eingesetzte Daytona Spider den Produzenten von "Miami Vice" zu teuer war, verwendete man eine Replika auf Corvette-Basis.

Erst als Ferrari zwei echte Testarossa für die Dreharbeiten in Aussicht gestellt hatte, wurde der alte Dienstwagen in der Folge "Liebe und Tod" vermittels einer spektakulären Sprengung ausrangiert. Die neuen Dienstfahrzeuge waren übrigens ursprünglich schwarz, aber die Testarossas wurden wegen der vielen Nachtszenen kurzerhand umgespritzt: in Weiß.
Quelle: Spiegel online
 
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