Die Lufthansa-Piloten wollten ihren Arbeitgeber mit dem größten Streik der deutschen Luftfahrtgeschichte in die Knie zwingen. Doch nach nur einem Tag mussten sie den Arbeitskampf beenden. Die Helden der Lüfte haben sich in einem Konflikt verrannt, den sie von Anfang an nicht gewinnen konnten.
Hamburg - Die Piloten der Lufthansa hatten markige Worte zur Begründung ihres Streiks gefunden. Durch die Öffnung der Märkte im Luftverkehr sei ein Geist aus der Flasche gelassen worden, den sie nun wieder reinbekommen müssten - dieses übergeordnete Ziel nannte Thomas von Sturm, Vorsitzender der Tarifkommission der Vereinigung Cockpit, für den ursprünglich auf vier Tage angesetzten Ausstand.
Es sollte im größten Arbeitskampf in der Geschichte der deutschen Luftfahrt also um nicht weniger als die ganz große Sache gehen: Die Cockpit-Crews wollten die Globalisierung stoppen, ja sie sogar zurückdrehen. Damit sie ihre Besitzstände wahren können, sollten künftig möglichst alle Flugzeuge, bei denen Lufthansa
draufsteht oder irgendwie drin ist, zu deutschen Tarifbedingungen fliegen. Es war ungefähr so, als würden die Daimler-Mitarbeiter in Stuttgart so lange streiken, bis der Konzern in Südafrika und China die gleichen Löhne wie im Ländle zahlt.
Auch für eine Gruppe, die mit einer vergleichsweise kleinen Anzahl von Streikenden großen Schaden anrichten kann, war dieser Plan von vornherein zum Scheitern verurteilt. Doch Kritik an ihrer Hybris ließen die Piloten nicht gelten. Das mag auch daran gelegen haben, dass sie es in ihrem Job gewohnt sind, als Helden der Lüfte verehrt zu werden. Schließlich sind die Kranich-Kapitäne im Eigenbild die besten Piloten der Welt.
Doch am Ende brauchte es nur eine mit gesundem Menschenverstand ausgestattete Frankfurter Arbeitsrichterin, um die elitären Lufthanseaten mit dem Hinweis auf die territorialen Grenzen des deutschen Tarifrechts auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Die Vereinigung Cockpit musste im Vergleich mit der Lufthansa juristisch verklausuliert, aber dennoch kleinlaut zugestehen, in den kommenden zwei Wochen nur über die Vergütung der Piloten im deutschen Tarifgebiet zu verhandeln.
Die Piloten haben den Kern der Kritik nicht verstanden
So wurde aus dem als Mega-Streik losgetretenen Arbeitskampf nur ein laues Streikchen. Die Lufthansa-Piloten - und allen voran die Vereinigung Cockpit - stehen nun ziemlich bedröppelt da. Es wird interessant zu beobachten sein, wie die Spitze der Gewerkschaft ihren Mitgliedern diesen Rückschlag erklärt. Schließlich sind die Gewerkschaftsbosse noch nicht lange im Amt. Mit ihrer alles-oder-nichts-Aktion wollten sie wie Halbstarke der eigenen Mitgliedschaft ihre Macht beweisen.
Was an dem Konflikt fast schon tragisch ist: Die Lufthansa-Piloten haben nicht verstanden, dass wohl jeder Passagier ihnen ein gutes Einkommen gönnt. Niemand will, dass sie - wie viele ihrer US-Kollegen - zu Dumpinglöhnen fliegen und übermüdet im Cockpit sitzen, weil sie nachts noch jobben müssen. Dieses Ziel verfolgte noch nicht einmal ihr angeblich so brutaler Arbeitgeber. Im Gegenteil: Der Konzern gab seinen Piloten, die wie keine andere Berufsgruppe für den Lufthansa-Markenkern der Zuverlässigkeit stehen, sogar umfangreiche Jobgarantien.
Worum es bei der Kritik am Verhalten der Piloten ging, war die Frage nach der Verhältnismäßigkeit ihrer Forderungen und deren langfristige Folgen. Denn dass die Lufthansa-Piloten so taten, als könnten sie im Interesse der Allgemeinheit die gute alte Welt einer im geschützten Himmel operierenden Staats-Airline zurückzaubern, hat mit der Realität über den Wolken schon länger nichts mehr zu tun. Hier herrscht in weiten Teilen inzwischen knallharter Wettbewerb.
Es geht um das langfristige Überleben der Lufthansa
Der Kranich-Konzern kämpft mit einem hochdefizitären Europageschäft, aus dem noch immer rund die Hälfte des Umsatzes stammt. Weil auf der Kurzstrecke die Ausgaben für die Cockpit- und Kabinenbesatzung bis zu 30 Prozent der Kosten ausmachen, kann die Lufthansa ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenten wie Air Berlin
oder Easyjet
nur wieder herstellen, wenn sie künftig größere Jets einsetzt und mehr Routen als bisher von Töchtern fliegen lässt, die zu günstigeren Kosten operieren.
Auch im Interkontinentalverkehr, wo die deutsche Airline noch immer gutes Geld verdient, haben in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Akteure aus dem Nahen und Fernen Osten auf Angriff geschaltet. Dass Emirates seine Flugzeuge am Golf zu einem Bruchteil der hiesigen Kosten auftankt und zudem noch von Steuervorteilen profitiert, verzerrt ohne Zweifel den globalen Wettbewerb. Nur ändern daran selbst deutsche Pilotenstreiks nichts.
Würden die Manager der Lufthansa auf diese Gefährdungen nicht reagieren, wäre im schlimmsten Fall mittelfristig der gesamte Konzern in seiner Existenz gefährdet. Und dann müssten sich auch die streikfreudigen Lufthansa-Piloten einen neuen Arbeitgeber suchen. Zu welchen Bedingungen es dort Stellen gibt, wissen sie bereits. Eben jene Vereinigung Cockpit, die sich zur Sicherung ihrer Privilegien nun verkämpft hat, vereinbarte erst im vergangenen Herbst einen neuen Tarifvertrag mit Air Berlin - zu schlechteren Konditionen als bei der Lufthansa.